Tod einer Diva by Lee Martin

Tod einer Diva by Lee Martin

Autor:Lee Martin [Martin, Lee]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-31T05:00:00+00:00


Kapitel 7

Wir saßen noch immer nebeneinander auf dem Boden. Margalis Schlafzimmer war sauber oder zumindest so sauber, wie es uns möglich war. Der Teppich mußte unbedingt schamponiert und abgesaugt werden, und es gab jede Menge Kleinkram, von dem ich einfach nicht wußte, wo ich ihn hintun sollte. In meiner Ratlosigkeit hatte ich soviel wie möglich davon in eine ansonsten völlig leere Truhe gestopft und den Rest auf dem niedrigen Bücherregal gestapelt, das wir inzwischen wieder an seinen ursprünglichen Platz gerückt hatten.

Schließlich fragte ich: »Susan, was fehlt Margali eigentlich?«

Susan seufzte, während sie nach und nach die Klammern entfernte, die ihre Haarflechten festgehalten hatten. »Ich will es mal so ausdrücken, ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit ist, gelinde gesagt, gestört.«

»Ja, aber ich meine, was fehlt ihr? Susan, ich kenne sie, mit Unterbrechungen, seit meinem dreizehnten Lebensjahr. Sie ist nicht – das ist nicht die Margali, die ich kenne. Sie war schon immer ein bißchen verrückt, klar, aber nicht so wie jetzt. Was ist mit ihr passiert? Hat sie Alzheimer oder so was? Oder Syphilis? Ich habe mal gelesen, daß man davon richtig seltsam werden kann.«

»Sie hat weder Alzheimer noch syphilitische Parese«, sagte Susan präzise und löste währenddessen ihre Haarflechten. »Es gibt nicht den geringsten Verdacht auf Alzheimer, und syphilitische Parese kommt heute so gut wie gar nicht mehr vor. Jedenfalls ließe sie sich durch Labortests nachweisen. Syphilis, meine ich, nicht Alzheimer. Sie hat keine.«

»Aber hast du die Tests gemacht?«

»Ich habe sie gemacht. Nicht, daß ich den Verdacht gehabt hätte, sondern nur für den Fall, daß jemand diese Frage stellen würde. Jedenfalls, ihr Mann hat mir gesagt – o verdammt, Deb, ärztliche Schweigepflicht, das weißt du doch. Sagen wir mal so, wenn bei einem meiner Patienten Ansteckungsgefahr bestehen könnte, möchte ich es wissen, okay?« Sie war dabei, ihre rechte Haarsträhne neu zu flechten.

»Das ist verständlich. Willst du damit sagen, daß du mir nicht verraten kannst, was ihr fehlt?«

»Also, ich dürfte es nicht. Aber abgesehen davon weißt du doch, daß ich starre Bezeichnungen nicht ausstehen kann.«

»Heißt das, du weißt es nicht?«

Susan schmunzelte und machte sich an die linke Flechte. »Drück es meinetwegen so aus, wenn du möchtest. Deb, es gibt alle möglichen Arten von Bezeichnungen, weißt du? Zum Teil sind es laienhafte Bezeichnungen, die in der Medizin nicht mehr verwendet werden. Zum Teil sind sie ziemlich präzise, zum Beispiel bei Formen des manisch-depressiven Syndroms, die wir heute kontrollieren können – nicht heilen, aber kontrollieren –, mit Lithium. Genauso wie Diabetes mit Insulin kontrolliert wird. Die Krankheit wird nicht geheilt; sie ist weiterhin da, schleichend, und richtet allerlei schlimme organische Schäden an, aber sie ist unter Kontrolle, und der Patient kann in gewissen Grenzen ein einigermaßen normales Leben führen.«

»Okay, ist Margali manisch-depressiv?«

»Vielleicht. Unter anderem.« Sie begann, mit der freien Hand, die nicht die Haarflechte festhielt, auf dem Boden herumzutasten.

»Hier.« Ich gab ihr ein grünes Gummiband, das wohl ursprünglich mal eine aufgerollte Zeitung zusammengehalten hatte. »Warum kannst du ihr dann nicht einfach Lithium geben?«

»Das ist das Problem«, sagte Susan. »Manche Formen des manisch-depressiven Syndroms sprechen nicht auf Lithium an.



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